Nach einem Tag Pause, beim arbeiten im Hotel am Meer … zum zeichnen hat es auch noch ein wenig gereicht … geht es heute wieder ein Stück weiter Richtung Norden. Bis nach Neapel sind es von hier aus sicherlich an die vier Wochen. In einigen Tagen werde ich wieder auf den E1 treffen. Der Weg ist heute wieder ein grosser Teil der Strecke asphaltiert. Dies spüren meine Füsse. Der Wind weht seit gestern heftig, glücklicherweise bläst er aus Süden.
Zuerst sind einige Kilometer auf Asphalt an der Strasse entlang auf der Tagesordnung. Die Autos rasen an mir vorbei, da fühle ich mich oft nicht gut dabei.
In Bagnara Calabra steigt der Weg vom Meer an in die Hügel. Der Einstieg in den auf dem GPS definierten Wanderweg ist nicht leicht zu finden. Das Grät wiegt mir ein ausgetrocknetes Bachbett an. Ohne über einen kleinen Zaun zu klettern komme ich nicht da hin. Gemacht getan, führt der kleine Pfad 200 Meter steil nach oben. Auf halbem Weg treffe ich Waldarbeiter die den Weg von einem umgestürzten Baum frei machen. Es scheint dass dieser Weg doch noch begangen wird. Wahrscheinlich habe ich den falschen Einstieg gewählt.
Hoch über dem Dorf erwartet mich ein neues Abenteuer der Navigation. Jetzt gilt es den Wanderweg 400 Meter über dem Meer zu finden. Zuerst über Wiesen ohne Weg nur mit Hilfe des GPS. Der Einstieg beschert mit einen grandiosen Ausblick über die Küste Richtung Südwesten. Für die folgenden sieben Kilometer sollte man absolut schwindelfrei sein. An ganz wenigen Stellen ist der Weg mit Seilen gesichert. Inzwischen hat der Wind zugelegt. Dies machte die Sache nicht einfacher, schon gar nicht mit dreizehn Kilo auf dem Rücken. Hoch über der Küste ist der Untergrund unter meinen Sohlen oft sehr labil. Sorgfältig lege ich einen Schritt vor den nächsten.
In Palmi gönne ich mir ein erfrischendes italienisches Zitroneneis. Im Eis machen sind sie wirklich Weltmeister. Jetzt geht es 300 Meter nach unten an das Meer. Hier ist noch alles menschenleer. Ein wenig wird die Saison vorbereitet. Auf einem stillgelegten Campingplatz schlage ich windgeschützt mein Nachtlager auf.
Am Morgen ist das Zelt braun von Salz und Sand. Früh packe ich zusammen und verlasse das Dorf. Das GPS zeigt mir den Weg auf einen immer schmaler werdenden Pfad. Wunderschön am Morgen wenn die Vögel ihr Konzert geben. Wenn ich dann doch besser eine Machete dabei hätte statt ein Schweizer Taschenmesser ist es dann doch zuviel Gestrüpp. Den Gesang der Nachtigall kann ich aber trotzdem noch geniessen.
Am Ende des Weges war ein zweimeter hoher Maschendrahtzaun. Zufälligerweise ohne Stacheldraht. Trotzdem habe ich mir an der Gürteltasche des Rucksacks beim Überwinden des Zauns einen Riss eingefangen. Klettern war noch nie meine Stärke. Folgen waren dann einige Kilometer Asphalt. Nach San Ferdinando und seinem grossen Container Hafen folgte der schöne Teil der Tagesstrecke.
Abfall am Strassenrand und Mülldeponien wie bei uns vor 60 Jahren schmälern das schöne Landschaftsbild.
Ein mehrere Kilometer langer Pinienwald mit einem menschenleeren Sandstrand. Ich denke dass es hier auch in der Saison leer ist. Nur mit dem Abfall liegt der Ort keine gute Note. Zum Ort Nicotera sind wieder zweihundert Höhenmeter auf schmalem Pfad zu überwinden. Oben ist der Blick grandios. Ein italienischer Caffè zum zeichnen und ich mache mich auf den Weg mein heutiges Nachtlager zu suchen. Zwei Kilometer ausserhalb des Dorfes in einem alten Olivenhain schlage ich mein Zelt auf. In der Umgebung höre ich Perón und Wiedehopf. Ein Fuchs schaut ach noch vorbei, meine Anwesenheit im Olivenhain war ihm jedoch suspekt und es suchte einen anderen Ort zum verweilen.
In der Nacht hat es kräftig geregnet. Am Morgen war bewölkt aber trocken. Der Weg nach Zaccanopoli führe mich weiter durch schöne Olivenhaine hoch über den Ort. Die Landschaft liegt noch verschlafen im Morgennebel. Alles ist ruhig als im am Morgen früh durch das erste kleine Dorf wanderte. Auf der Anhöhe angekommen erwartet mich ein Blick über weite Felder mit vielen Hecken und Sandabbrüche. Ich Apache den Vögeln. Wiedehopf, Pirol in den hohen Bäumen, Mönchs- und Weissbartgrassmücke und in einiger Entfernung konnte ich einen Bienenfresser ausmachen. Gut dass ich das „Monokel“ das ich von Yves Geschenk gekriegt habe dabei habe. Damit macht das beobachten doppelt Spass.
Vor Zaccanopoli komme ich mit einem Mann in das Gespräch, der in seinem Garten ausserhalb des Dorfes am werken war.
„Komm herein in meinen Garten“ sagte er zu mir. Er zeigte mir mit Freude sein Gemüse und Früchte. Bohnen, Erbsen, Tomaten und Mandeln. Er erklärt mir dass sein Bruder Marco in Deutschland wohnt.
Schon hatte er das Handy zur Hand und die Nummer gewählt. Ich solle doch mit Marco sprechen. Ein wenig überrumpelt erklärte ich Marco die Situation.
„Wenn du Hilfe brauchst, ruf mich“, verabschiedete sich Marco von mir. Der Anruf war wahrscheinlich ein wenig ungelegen, denn Marco war bei der Arbeit. Mit meinem Rucksack auf den Schultern mache mich auf in das kleine Dorf hoch über dem Meer. In Zaccanopoli gibt es eine Kirche, eine Bar eine Metzgerei und einen kleinen Kiosk. Um einkaufen zu können muss man in das nahe Tropea fahren. Es sind siebeneinhalb Kilometer über Serpentinen. Zu Fuss ist das eine ganze Ecke, hin und zurück und dies mit 400 Höhenmetern. Ich mache mich nach dem Mittag doch auf in die Stadt am Meer. Hier sind schon einige Touristen unterwegs. Tropea hat eine sehr schöne Altstadt über 40 Meter hoch über dem azurblauen Meer und einen grösseren Yachthafen. Die Recherche zeigt mir dass Tropea eine sehr bewegte Geschichte hat.
Als ich um achtzehn Uhr wieder in Zaccanopoli war, spürte ich dass ich heute über 38 Kilometer gelaufen bin.